Liebe ist ein Gefühl, und das kann man bei Vögeln nur schwer ablesen, denn ihre Körper sind vollständig mit Federn bedeckt und in ihrem Gesichtsausdruck können wir nur wenig erkennen. Können Vögel Gefühle empfinden? Für einige Vogelkundige steht das außer Zweifel, während andere zu bedenken geben, dass es doch ein sehr menschenbezogenes und mit vielen Interpretationen gefärbtes Bild wäre, das wir zu erkennen glauben. Bis vor kurzem war man überzeugt, dass Tiere instinktiv handeln und alle Aktivitäten nur auf die Fortpflanzung ausgerichtet sind. Nun gibt es immer mehr Fachleute, die davon überzeugt sind, dass Tiere sehr wohl Gefühle kennen und manchmal Dinge einfach nur aus Spaß machen. Vielfach gibt es Beobachtungen von Vögeln, deren Tätigkeiten sich nicht anders als durch Zuneigung und Liebe erklären lassen. So ist zum Beispiel die Pflege des Gefieders für die allermeisten Vögel eine überlebensnotwendige Routine: Dabei werden Schmutz, Staub und Parasiten entfernt, und das Federkleid wird gut gefettet, damit es wetter- und windbeständig bleibt. Die Vögel können das sehr gut allein – und trotzdem pflegen sie das Gefieder des Partners.
Treue und Trauer
In einem österreichischen Experiment untersuchte man den Faktor Stress bei Graugänsen. Dazu entfernte man bei einem Graugans-Pärchen einen Partner. Bei der verlassenen Gans kam es zu einer sprunghaften Ausschüttung von Stresshormonen, woran auch ein neuer Partner nichts ändern konnte. Erst als der „richtige“ Partner wieder auftauchte, sank der Cortisolwert wieder. Die Forscher folgerten daraus, dass Graugänse nicht irgendeinen Genossen, sondern gezielt ihren Partner vermissen. Freizügiger geht es etwa bei Kohlmeisen zu, wo ein Männchen und ein Weibchen gemeinsam ein Nest bauen und Junge aufziehen – aber doch haben etwa 6,5 % der Jungen einen anderen Vater als den, der ihnen das Futter bringt. Obwohl das Männchen versucht, das Weibchen an der Paarung mit dem Nachbarn zu hindern, gelingt es diesem oft, sich heimlich mit einem starken Kohlmeisen-Männchen aus der Nachbarschaft zu paaren. Wissenschaftlich betrachtet, erhöht es damit seinen Fortpflanzungserfolg – eine Strategie, die besonders bei kleinen Singvögeln mit relativ kurzer Lebenszeit verbreitet ist, weil sie der hohen Sterberate beim Nachwuchs entgegenwirkt und die wenige Zeit für möglichst viele gesunde Nachkommen genutzt wird. Im Allgemeinen halten Vögel mit einer längeren Lebenserwartung – und daher auch einem späteren Brutzeitpunkt im Leben – mehr von Treue und haben auch eine stärkere Paarbindung als kurzlebigere Arten.
Kreative Brautwerbung
Viel Kreativität, aber auch große Unterschiede legt die Vogelwelt bei der Brautwerbung an den Tag. Reiher sind für zusätzliche Schmuckfedern und Farbveränderungen an den Beinen und am Schnabel während der Balzzeit bekannt; andersfärbige Schnäbel gibt es auch bei Papageientauchern, Seeschwalben, Möwen und anderen Vögeln. Singvögel singen aus Leibeskräften – und zwar durchaus individuelle Melodien, wie man mittlerweile weiß –, der Paradiesvogel bietet einen originellen Showeffekt, ein Kiebitz zeigt seine spektakulären Flug-Stunts und eine Fluss-Seeschwalbe lockt die Angebetete mit leckerem Fisch. Kampfläufer, Birkhuhn, Enten, Möwen und auch Höckerschwäne veranstalten regelrechte Tanzaufführungen, um die Zukünftige für sich einzunehmen. Gleichzeitig gibt es auch Arten, die schnell und ohne Firlefanz zur Sache kommen: Vor allem Vögel, die hoch im Norden brüten und nicht nur eine lange Reise hinter sich, sondern klimabedingt auch wenig Zeit für Paarung und Brutpflege haben, setzen bei der Balz auf Effizienz.
Wer mit wem?
Auch Homosexualität kommt im Vogelreich vor. Besonders gut lässt sich das in Tierparks beobachten, weil die Tiere dort markiert sind und man das Geschlecht der einzelnen Exemplare kennt. Bei monogam lebenden Vögeln wie Geiern, Pinguinen und Flamingos kann man beobachten, dass Homopärchen ihr ganzes Leben lang zusammenbleiben. Die weit verbreitete Vorstellung, dass alles in der Natur auf Fortpflanzung ausgerichtet ist, entspricht nicht der Realität. Es gibt jede Menge Beispiele für nichtreproduktiven Sex in der Natur, etwa Tiere, die sich paaren, wenn sie schwanger oder unfruchtbar sind, oder die Sex mit einem gleichgeschlechtlichen Partner haben.
red korger
Quelle: Buch „Vögel und die Liebe“ (siehe Buchtipp in der aktuellen Ausgabe der Siedlerzeitung - Frühling 2021)
Foto: Mabel Amber / Pixabay